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In medias res: Was Moodle kann und was nicht ...
So langsam nimmt die pädagogische Debatte rund um Moodle Fahrt auf. Das ist gut so.
Es ist nicht Moodle, das den Unterricht verändert. Moodle ist ein Instrument unter vielen in der Hand des Lehrenden, das das Potenzial hat Unterricht zu verändern. Aber es geht nicht von alleine.
Mathias Funk und Sven Gänger berichten in einem Beitrag über die Ergebnisse eines hessischen Modellversuchs zu e-Portfolios (Das E-Portfolio als Werkzeug zur Förderung selbstbestimmten Lernens? in:Zeitschrift für e-learning, 2-2008). Im Fazit schreiben sie u.a. “dass die Nutzung einer strukturierten E-Portfolio-Plattform nicht der Garant dafür ist, dass sich Unterricht in Richtung Selbstbestimmung und Individualisierung entwickelt.”
Hintergrund ist die Fallstudie dreier Lehrer, deren Einsatz von E-Portfolio zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen führt und die Lehrpraxis und die Haltung der Lehrer entscheidend ist. Abschließend formulieren Sie, dass die Veränderung der Lernkultur bereits eingeleitet, zumindest aber ein erklärtes Ziel darstellen solle wenn E-Portfolios eingeführt würden.
Letztlich wird damit betont, nicht das Werkzeug ist das Ziel.
In der Taz findet sich am 28.1.2009 ein Beitrag über Blogs für das Lernen 2.0. Darin wird Kritik über Moodle laut:
Prinzipiell ist Scheppler mit Moodle nicht unzufrieden. Anderswo heimste die Plattform dagegen jede Menge Kritik ein und gilt unter Lehrern vielfach als das viel geförderte Tool, das niemand benutzen möchte. Vielen ist es zu kompliziert. Unterrichtsblog-Pionier Thomas Rau ist es zu hässlich, zu wenig öffentlich - und es fehlt die Möglichkeit, Schüler zur Heimarbeit mit Moodle zu verpflichten. Auch weil eben noch immer nicht davon ausgegangen werden kann, dass jeder Schüler einen Computer mit funktionierendem Internetanschluss zu Hause stehen hat.
Drei Stichworte liefert uns Lehrer Rau:
kompliziert: Die wesentlichen Dinge sind einfach. Man kann die einfachsten Dinge sehr effektiv nutzen. Man muss nicht alles haben. Es wird kein Tool geben, dass alle Lehrer lieben. Das ist Gesetz.
hässlich: Moodle kann angepasst werden. Es gibt viele Beispiele, die zeigen dass Moodle ganz anders aussehen kann, wenn man will. z.B: http://ecdl-moodle.de oder http://playpen.riverview.nsw.edu.au/moodle19/ oder http://quantum.riverview.nsw.edu.au/. Alles Moodle-Systeme, jedoch mit grafischen Anpassungen. Dass Schulen häufig die altbackensten Oberflächen auswählen, liegt nicht unbedingt an Moodle.
zu wenig öffentlich: Dies ist eine Frage des Öffnens und des Wollens. Da das Internet ein Gedächtnis hat, das nicht kontrollierbar ist, ist die Nicht-Öffentlichkeit ein ganz wesentlicher Schutzraum. Dennoch ein Lehrer kann jederzeit seinen Kurs für Gäste öffnen und damit öffentlich machen. Viele in der Lehre genutzte Blogs setzen aus meiner Sicht Schüler und Studenten einer Öffentlichkeit schutzlos aus.
Und nochmal Lehrer Rau aus der taz zitiert:
Nicht das Einzige, was Rau, der selbst an seiner Schule “Moodle-Beauftragter” ist, stört. “Das selbstorganisierte Lernen läuft damit auch nicht optimal", mäkelt er und gibt aber dennoch zu: “Aber es ist besser als gar nichts.”
Fink und Gänger (s.o.) machen sich in ihrem Beitrag eine Begriffsunterscheidung von Thomas Häcker zu eigen.
Von selbstgesteuertem Lernen spricht er, wenn die Lernenden lediglich bei den regulativen Prozessen des Lernens mitentscheiden können, also bei der Auswahl von Lernformen und Methoden. Von selbstbestimmten Lernen ist dagegen erst zu sprechen wenn … auch die Mitbestimmung bei den Inhalten und Lernzielen sowie bei der Einschätzung und Bewertung des Lernprozesses und der Lernergebnisse eine Bedeutung erhält.
Was ist nun selbstorganisiertes Lernen? Gabi Reinmann hat kürzlich in zwei Aufsätzen kritisiert, dass es in der Debatte an begrifflicher Klarheit fehlt.
Maik Rieken zieht nun eine persönliche Bilanz seiner Arbeit mit Moodle (hier und hier)
# Moodle muss den Lernenden (denen in der Teilnehmendenrolle) noch weit mehr Möglichkeiten geben, an der inhaltlichen und strukturellen Ausgestaltung von Kursinhalten zu partizipieren. Das geschieht bereits in einigen Lernaktivitäten, aber dieser Weg muss für mich noch konsequenter fortgeführt werden. Die Kommentarfunktion wäre da ein Beispiel. Ein individell frei gestalbarer Bereich für jeden Teilnehmenden - wie etwa durch Portfoliosystem (exabis) sind da für mich ein Schritt in die richtige Richtung, wenn diese Portfolios auch verschiedengradig öffentlich gemacht werden können: z.B. Gruppe, Kursbereich, Moodlesystem, Welt. Mahara macht es für ich in diesem Bereich exzellent vor.
# Inhalte aus Moodlekursen müssen losgelöst von personenbezogenen Daten für jedermann von überall auf der Welt recherchierbar sein. Nur so würde für mich die Schaffung von Kursinhalten effizient. Ich nutze die Inhalte in meinem Unterricht und bekomme von außerhalb meines Unterrichts dazu zusätzlich als Input. Mit “außerhalb” meine ich dabei nicht andere Lehrer oder Schüler.
# Moodle ist ein Unterrichtsinstrument, eine für mich geniale Zusammenführung verschiedener Methoden, von denen keine neu ist - ein Instrument verändert Unterricht durch die Art seiner Benutzung. Es ist für mich fahrlässig zu behaupten, dass ein Instrument von sich aus Unterricht verändert - wie es allgemeinen Hype um Moodle manchmal geschieht. Ohne eine Einführung in das Prinzip, welches hinter dem Kontruktivismus steht, wird Moodle m.E. keinen wirklichen Fortschritt bringen können, sondern lediglich bestehende Strukturen virtuell abbilden.
Ich stimme Maik an vielen Stellen zu. Ich finde eine Differenzierung besonders wichtig: Was schafft Moodle und was schaffen die Menschen, die mit Moodle arbeiten (wollen). Die Aussage ‘Moodle muss..’ ist für mich falsch. Hier ist zu allererst der Lehrende zu sehen. Er kann diese Rechte an vielen Stellen in Moodle schon längst vergeben. Man muss es halt geschickt kombinieren. Der Moodle-Weg erlaubt verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. Würde Moodle überall die Kommentierung und Gestaltung zulassen, dann wäre ein lehrerzentrierter Unterricht mit Moodle kaum mehr möglich. Und auch er hat seine Berechtigung.
“Inhalte aus Moodlekursen müssen losgelöst von personenbezogenen Daten für jedermann von überall auf der Welt recherchierbar sein.” Hier bin ich mir nicht sicher, wie weit das denn wirklich gewollt ist. Wenn ein Lehrender das will, dann kann er es auch tun. Aber wollen die Lehrer das?
“Ohne eine Einführung in das Prinzip, welches hinter dem Kontruktivismus steht, wird Moodle m.E. keinen wirklichen Fortschritt bringen können, sondern lediglich bestehende Strukturen virtuell abbilden.” Und da sind wir bei der Integration in Unterrichts- oder Schulentwicklungsprozesse. Aber das ist nicht die Verantwortung von Moodle.
Und nochmal Maik Rieken:
Viele meiner Konsequenzen sind bereits heute mit Moodle umsetzbar, wenn ich als Lehrender bereit bin, den Lernenden mehr zu vertrauen und ich den Mut aufbringe, mich ihrer wichtigen Kritik bzw. Rückmeldung auch auszusetzen. Ich wünschte mir in diesem Bereich mehr “Best-Practise”-Beispiele - völlig unabhängig von Moodle.
Und da, Maik, bin ich voll bei dir. Danke für deine kritische Sicht.
Dieser Eintrag wurde verfasst am 22 Feb 2009 um 16:38 von ralfh und ist abgelegt unter Grundlagen, Anwendung, Bildungsprozesse, Anwender, Content.
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